Der kleine Mäuserich

Eine Geschichte über Mut, wahre Freundschaft und Selbsterkenntnis. Nach einer antiken Indianer-Legende. In die Neuzeit übertragen von Christoph Schaaf.

Es war einmal ein kleiner Mäuserich. Er war klein, lebhaft und neugierig. Tagsüber suchte er das Feld, auf dem er wohnte, nach etwas Essbarem ab. In der Nacht verkroch er sich in seiner Mäusehöhle und schlief friedlich.

Eines Morgens wachte der Mäuserich auf und bemerkte, dass etwas anders war, als sonst. Er wusste zunächst nicht so richtig, was es war. Langsam begriff er es. Er hörte ein Geräusch. Es war weit weg, aber doch klar zu hören. Mäuserich wollte unbedingt wissen, was es war und woher es kam, doch es gelang ihm nicht so richtig, es herauszufinden.

So ging er zu seinem Mäusebruder und fragte:
„Sag mal Bruder, findest du nicht auch, dass etwas anders ist als sonst?“
„Alles beim Alten“, antwortete sein Bruder und sah ihn misstrauisch an.
„Aber da ist doch dieses Geräusch! Hörst du das denn nicht?“
Der Bruder spitzte seine Ohren und lauschte ein wenig. Plötzlich grinste er Mäuserich an.
Dann neigte er seinen Kopf zu Mäuserichs Kopf, hielt inne und lauschte weiter.

„Da ist doch etwas. Moment. Jetzt habe ich es! Das ist bestimmt der Sand, der dir mal wieder durch den Kopf rieselt“, sagte er schnippisch. Dann drehte er sich um und verkroch sich in seiner Mäusehöhle.

Mäuserich beschloss die ganze Sache zu vergessen, schließlich bezeichneten ihn seine Brüder immer öfter als Spinner, weil er immer auf Ideen kam, auf die die anderen nicht kamen.

Aber das Geräusch verschwand nicht und jeden Tag wurde es deutlicher. Es klang beinahe wie ein Rauschen.

„Ich muss endlich wissen, was das ist“, dachte er. „Am besten ich folge dem Geräusch und gucke wo es herkommt. Aber dazu müsste ich das sichere Feld verlassen und den Schutz meiner Brüder aufgeben. Ich bin doch so klein und unerfahren. Und was, wenn mich die Adler kriegen?“

Beim Gedanken an die gefährlichen Adler, packte ihn plötzlich die Angst und er unterdrückte seine Neugier, so gut er es konnte.

So vergingen noch ein paar Tage, doch dann hielt Mäuserich es nicht mehr aus. „Ich muss jetzt wissen, woher dieses Rauschen kommt und was das zu bedeuten hat. Sollen mich doch die Adler holen. Hier habe ich sowieso nichts mehr verloren!“ Mit diesem Gedanken machte er sich Mut. Er durchforstete seine kleine Höhle, fand noch ein paar Samen und verschlang diese schnell. Dann verließ er seine sichere Mäuseheimat und machte sich auf den Weg in die weite Welt.

Nach einiger Zeit wurde er plötzlich von einer tiefen Stimme erschreckt. Sie donnerte und bebte:

„Guten Tag kleiner Bruder“, sagte die Stimme.

Mäuserich war zu Tode erschrocken, er krümmte sein Mäusefell, spannte seinen Körper und wollte schnell davonlaufen. Aber die tiefe Stimme lullte ihn etwas ein:

„Kleiner Bruder, sei doch nicht so schüchtern. Es weiß doch jedes Kind, dass Waschbären keine Mäuse fressen.“ Dann sah Mäuserich, was ihn da angesprochen hatte. Es war ein Waschbär. Und er guckte eindeutig freundlich! Mäuserich beruhigte sich etwas.

„Und was machst du hier ganz alleine“, fragte der Waschbär.

„Ich suche nach etwas.“

„Hast du deine Braut verloren“, fragte der Waschbär und lachte meckernd.

„Nein, nicht was du denkst. Ich höre so ein Geräusch und es macht mich verrückt.“

„Soso, ein Geräusch“. Der Bär lauschte eine Weile und erklärte dann:

„Hörst du so ein Rauschen? Leise, aber immer da?“ „Ja genau. Das ist es“, sagte Mäuserich aufgeregt. „Das ist der Fluss“, erklärte der Waschbär freundlich.

„Der Fluss?“, fragte Mäuserich. „Was ist das? Ein Tier?“

„Nein“, lachte der Waschbär. „Komm einfach mit und ich zeig dir den Fluss“, sagte Waschbär.

Mäuserich war schrecklich neugierig, aber er hatte auch schreckliche Angst. Konnte er Waschbär vertrauen? Der Weg war bestimmt weit und voller Gefahren, konnte er es wirklich schaffen? Da hörte er wieder das Rauschen. Eine seltsame Sehnsucht erfüllte sein Herz und die Entscheidung war gefallen. Er bat Waschbär, ihn zum Fluss zu führen und die beiden machten sich auf den Weg dorthin.

Mit klopfendem Herzen betrat Mäuserich unbekannte Wege, roch Düfte, die er noch nie gerochen hatte und kam dem Rauschen immer näher. Nun war es so laut, dass es fast donnerte. Mäuserich machte das Getöse inzwischen Angst. „Wenn der Fluss ein Tier ist, ist es bestimmt ein grässliches Ungeheuer und …“, dachte er.  Doch Waschbär zog ihn einfach weiter und plötzlich sah Mäuserich den Fluss. Es war ein reißender Strom. Unmengen an Wasser rauschten an ihm vorbei. Er war so breit, dass er fast gar nicht auf die andere Seite gucken konnte.

„Er ist gewaltig!“, sagte Mäuserich nach Atem ringend.

„Ja, er ist eine große Sache“, antwortete Waschbär. 

Waschbär begleitete Mäuserich zu einer Stelle, die etwas seichter war. Dort saß ein grasgrüner Frosch auf einem Seerosenblatt.

„Darf ich dir einen guten Freund vorstellen“, fragte Waschbär. „Das da ist Frosch, er wird sich jetzt um dich kümmern.“ „Ich muss leider fort, aber keine Angst, du bist bei Frosch in guten Händen.“ Mit diesen Worten verschwand der Waschbär und ließ Mäuserich alleine.

„Willkommen am Fluss kleiner Mäuserich“, sagte der Frosch. Mäuserich murmelte etwas und ging dann ganz nahe ans Wasser und sah dort eine verängstigte Maus, die sich bewegte, wenn er sich bewegte.

„Hallo kleine Maus“, sagte er. „Was machst du denn so alleine am Fluss? Hast du denn gar keine Angst hier?“ Die Maus im Wasser antwortete nicht, dafür aber der Frosch:

„Nein. Ich habe keine Angst“, erklärte der Frosch. „Ich wurde mit allem gesegnet, was ich brauche. Ich kann auf dem Land leben und im Wasser. Wenn Wintermann kommt und die Welt einfriert, kannst du mich nicht finden. Nur wenn alles grün ist und der Donnervogel fliegt. Mein Freund, ich bin der Hüter des Wassers.“

„Wirklich?“, fragte Mäuserich.

 „Na und ob“, antwortete der Frosch. „Möchtest du etwas Zaubermedizin haben?“

„Zaubermedizin, davon habe ich schon gehört. Und du würdest mir etwas davon abgeben?“, fragte Mäuserich.

„Na klar“, erklärte Frosch.

„Pass auf. Geh einfach so tief in die Hocke wie du kannst und springe dann so hoch, wie du noch nie gesprungen bist, dann bekommst du deine Zaubermedizin.“

Mäuserich ging so tief in die Hocke, wie er konnte und sprang dann mit ganzer Kraft nach oben. Plötzlich sahen seine Augen wunderschöne Berge unter einem strahlend blauen Himmel, es war ein atemberaubender Anblick. Doch dann fiel er wieder nach unten und landete im Fluss. Sein Herz raste, Panik erfüllte ihn, er paddelte und ruderte und erreichte gerade so das Ufer.

„Du hast mich betrogen!“, schrie er Frosch an.

„Nein, nein, warte“, sagte der Frosch. „Bitte lass dich nicht von deiner Wut und deiner Angst blenden. Dir ist doch gar nichts passiert.“

„Also, was hast du gesehen?“, fragte der Frosch.

„Ich sah Berge, so wunderschön, wie ich noch nie etwas gesehen habe.“

„Jaja“, sagte der Frosch. „Das sind die heiligen Berge. Ich gratuliere zu deinem neuen Namen.“

„Was für ein Name?“

„Na ’springende’ Maus. So heißt du ab sofort.“

Mäuserich erkannte, dass es eine Belohnung war. Wenn man einen neuen Namen bekam, hieß das, dass man etwas dazugelernt hatte und nun eine neue Fähigkeit besaß.

„Danke, ich danke dir von Herzen“, sagte Mäuserich verzückt.

„Bitte zeig mir, wie ich zurückkomme. Ich möchte zu meinen Mäusebrüdern und ihnen erzählen, was ich gesehen habe.“

„Gerne, springende Maus. Folge einfach dem Fluss. Siehst du, das ist die Richtung aus der du kamst.“

Der Frosch zeigte auf den Fluss. „Folge dem Fluss in diese Richtung und du wirst deine Mäusebrüder finden.“

Springende Maus folgte dem Fluss und kam zurück auf sein Mäusefeld. Er wollte den anderen von den heiligen Bergen erzählen, aber niemand wollte ihm zuhören.

„Wieso bist du denn so nass?“, fragten sie. Springende Maus wusste nicht, wie er es erklären sollte. „Guckt mal, die Maus ist krank! Sie hat ein nasses Fell. Selbst der hungrige Fuchs hat sie wieder ausgespuckt. Bleib uns bloß vom Leib.“

Niemand wollte mehr etwas mit Springende Maus zu tun haben, denn die anderen Mäuse dachten, er wäre krank. Jede Maus wusste, dass eine Maus krank sein muss, wenn sein Fressfeind sie wieder ausspuckt.

Er lebte nun zurückgezogen und allein und immer wieder sah er die heiligen Berge vor sich. Wie sehnte er sich danach, sie einmal von Nahem zu sehen. Mit dieser Sehnsucht, wanderte er ans Ende des Feldes und sah über die Prärie. Am Himmel sah er viele dunkle Flecken, jeder von ihnen war ein Adler. Die Sehnsucht in seinem Herzen brannte unerträglich. „Ich will endlich zu diesen Bergen“, sagte er. Er sammelte seinen ganzen Mut und dann rannte er so schnell er konnte über die Prärie. Sein kleines Herz hämmerte vor Aufregung und vor Angst.

Er lief bis er zu einer Stelle, die mit Salbei bewachsenden war. Dort machte er eine Pause und rang nach Luft. „Willkommen im Mäuseparadies, Springende Maus“, sagte jemand mit alt klingender Stimme.

Springende Maus sah sich um und entdeckte eine alte Maus.

„Hallo, Alte Maus“, sagte er höflich.

„Sieh dich nur um, sagte Alte Maus. Hier gibt es alles! Samen, Nestmaterial und viele interessante Dinge. Komm mal her. Siehst du die großen Tiere da vorne.“

Springende Maus folgte ihm und dann sah er sie.

„Büffel, Antilopen, Hasen und Coyoten“, erklärte Alte Maus. „Aber nimm dir Zeit. Du wirst die Namen noch lernen! Jetzt lass uns erstmal essen.“

Es gab Samen und Nüsse und sogar ein paar frische Beeren. Mäuserich hatte schon lange nicht mehr so etwas Leckeres gegessen.

„Das kannst du von nun an jeden Tag haben“, erklärte die alte Maus.

Springende Maus gefiel die Vorstellung, jeden Tag so tolles Essen zu haben und die vielen Tiere beobachten zu können. Dann fielen ihm jedoch die heiligen Berge wieder ein.

„Du hast es hier wirklich schön“, sagte Springende Maus mit ehrlicher Anerkennung.

„Aber sag mal kennst du auch den großen Fluss und die heiligen Berge?“

„Ja und nein“, antwortete Alte Maus. Ich weiß, dass es den großen Fluss gibt, aber ich glaube die heiligen Berge sind nur Fantasie. Am besten vergisst du die heiligen Berge schnell wieder. Selbst wenn es sie gibt, wirst du sie sowieso nie zu Gesicht bekommen. Bleib lieber hier. Hier gibt es alles und es ist sicher. Einen besseren Platz wirst du im Leben nicht finden!“

„Wie kann er nur so etwas sagen“, dachte Springende Maus. „Die heiligen Berge kann man doch nicht einfach vergessen.“, sagte er mit zitternder Stimme.

„Ich danke dir für das Mahl, das du mit mir geteilt hast und für deine Gastfreundschaft, aber ich muss weiterziehen und die heiligen Berge finden.“

„Du Dummkopf“, schimpfte Alte Maus. „Siehst du die Flecken am Himmel. Das sind Adler! Sie werden dich sehen und dann werden sie dich erwischen!“

Springende Maus fiel es schwer, weiterzuziehen. Aber er sammelte seinen ganzen Willen und fand noch eine Portion Mut. Dann spannte er seinen ganzen Körper und rannte los. Er schoss über die Prärie und spürte die Adler über ihm. Er sah die Schatten, die sich um ihn herum ausbreiteten. Angst erfüllte ihn. Aber seine Entschlossenheit war größer. Er rannte und rannte. Das Gelände war rau. Es war schwer, vorwärts zu kommen. Schließlich erreichte er eine Gruppe Wildbeersträucher und brachte sich dort in Sicherheit. Springende Maus traute seinen Augen kaum. Es war überraschend geräumig. Auch war es kühl. Und es gab hier Beeren und Samen und Gras zum Nestbauen. Es gab auch viele Löcher, in die man hineinschlüpfen konnte, um sie zu erforschen. Als Springende Maus das neue Terrain erkundete, hörte er plötzlich ein schweres Atmen. Er drehte seine Ohren hin und her und fand schließlich die Quelle des Geräuschs. Es war ein riesiger schwarzer Berg aus Fell. Auch hatte es zwei schwarze Hörner. Springende Maus war fasziniert. So ein prachtvolles Wesen! Er schlich näher heran.

„Hallo mein Bruder. Schön, dass du mich besuchen kommst“, sagte der Fellberg.

„Hallo großer Fellberg“, sagte Springende Maus. Der Fellberg brummte: „Nenn mich doch lieber Büffel.“ Der Büffel sah traurig aus und atmete ganz schwer.

„Großer Büffel, was macht du denn hier?“

„Ich habe mich hier zurückgezogen, denn ich bin krank und werde sterben.“

„Oh nein“, sagte Springende Maus mitfühlend.

„Was kann ich für dich tun? Wie kann ich dir helfen?“

„Du hast ein gütiges Herz, Springende Maus. Und tapfer bist du auch! Aber ich glaube kaum, dass du mir helfen kannst. Nur die heilige Frucht vom Baum der Wahrheit kann mir helfen.“

„Baum der Wahrheit? Das ist aber ein seltsamer Name für einen Baum? Warum heißt er denn so? 

„Weil er zeigt, wie ein Wesen wirklich ist.“

„Das ist spannend“, sagte Springende Maus. „Es klingt nach einem Abenteuer.“

„Na, wenn du meinst“, sagte Büffel und spürte wieder etwas Hoffnung.

„Du findest den Baum in der Mitte der Prärie, aber Vorsicht, die Adler können dich sehen und auf dem Baum gibt es eine heimtückische Kreatur.“

Springende Maus sah den leidenden Büffel noch einmal an. Er war so ein prachtvolles Tier. Er wünschte sich von ganzen Herzen, ihm helfen zu können und so machte er sich auf den Weg. Er rannte über die Prärie, passierte trockene Sträucher und raste über den Sandboden. Über ihm zogen schwarze Schatten hinweg. Einmal sah er einen Schatten, der sich um ihn herum ausbreitete und sein Herz begann zu rasen. Er schaute nach oben und sah einen Adler schnell näher kommen. Springende Maus flüchtete in ein Loch, das gerade vor ihm auftauchte und war gerettet. Der Adler zog vorbei. Springende Maus atmete einmal tief durch und rannte dann weiter bis zum Baum der Wahrheit. Es war ein riesiger Baum, der mitten in der Prärie stand. Obwohl es um ihn herum trocken war, hatte der Baum tausende grüne Blätter und war mit Früchten übersäht. Die Früchte waren aber oben am Baum und Springende Maus musste hinaufklettern. So kletterte er den Stamm hinauf und dann auf einen Ast. Plötzlich hörte er ein Zischen. Springende Maus erschrak furchtbar. Etwas Grünes schlängelte auf ihn zu.

„Hallo, langes Wesen“, sagte Springende Maus ängstlich.

„Hallo, Springende Maus“, zischte das Wesen. „Man nennt mich Schlange. Möchtest du die Zauberfrucht probieren?“

„Nein, ich brauche Medizin für meinen Freund Büffel.“

„Oh, ich kann dir eine Zauberfrucht geben“, zischte die Schlange. „Aber du musst wählen, was du damit machen willst. Sie kann heilen, aber sie kann auch…“

„Ich möchte sie Büffel geben, ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass er wieder gesund wird.“

„Ja, ja das wäre möglich. Aber denk mal nach. Büffel ist alt und krank und stirbt sowieso irgendwann. Aber du Springende Maus hast doch ein Ziel, oder?“

„Ja, ich will zu den heiligen Bergen!“

„Richtig, die heiligen Berge“, sagte die Schlange und drehte sich in Richtung der Berge.  „Sieh nur, sie sind inzwischen so nah für dich. Nur schaffst du es nie über die Prärie. Schade, schade. Viel zu viele Adler. Wenn du jedoch selbst die Zauberfrucht isst, wirst du so schnell, dass die Adler dich nicht mehr kriegen können.“

Springende Maus dachte: „Es sind so viele Adler dort. Und der Weg ist noch so weit für mich kleine Maus. Vielleicht schaffe ich es wirklich nicht. Dann dachte er wieder an Büffel und erinnerte sich an sein Leid. Und wieder spürte er diesen Wunsch, ihm zu helfen.

„Also“, sagte Springende Maus entschlossen. „Die Zauberfrucht ist für meinen Freund.“

Die Schlange zischte verachtend, schnappte sich eine Frucht und warf sie zu Springende Maus.

„Na dann viel Erfolg, Adlerfutter!“

Springende Maus schnappte sich die Frucht, kletterte den Baum wieder runter und eilte ungesehen über die Prärie. Er fand Büffel und gab ihm schnell die Frucht. Büffel liefen die Tränen herunter. Er hatte nicht gedacht, dass Springende Maus zurückkommen würde.

„Der Baum der Wahrheit hat die Wahrheit zu Tage gefördert“, sagte Büffel respektvoll.

„Du, mein Bruder, bist ein wahrer Freund.“ Büffel aß die Frucht und fühlte sich bald besser. Am nächsten Tag strotze er vor Kraft.

„So mein wahrer Freund, ich habe Lust auf einen Spaziergang. Klettre hinauf.“

Wahrer Freund zögerte nicht und kletterte auf den großen Büffel. Der Büffel galoppierte über die Prärie und kam atemberaubend schnell vorwärts. Kein Adler traute sich in seine Nähe und alle Tiere rannten vor ihm davon. Es dauerte gar nicht lange und schon kamen die Berge in Sicht. Kurze Zeit später hielt der Büffel an. Er schaute verzückt auf die Berge und erklärte dann: „Die heiligen Berge, welch ein Anblick. Nun steig ab Wahrer Freund, dein Ziel ist nahe.“

Wahrer Freund kletterte langsam runter.

„Ich danke dir von Herzen Wahrer Freund“, sagte der Büffel, „aber den Rest des Weges musst du alleine gehen.“

„Ich danke dir, für deine Hilfe Büffel.“

„Freunde helfen einander“, erklärte Büffel.

Dann verneigte er sich und galoppierte davon.

Wahrer Freund kletterte den Berg hinauf, kleine Steine gerieten unter seine Füße und er rutschte immer wieder herunter.

„Guten Tag Bruder“, sagte plötzlich ein kräftiges schwarzes Wesen.

„Guten Tag, Kraftprotz.“

„Ja ein Kraftprotz, das bin ich! „Aber wie war nur mein Name?“, grübelte das Wesen.

 Dann gab er den Versuch auf, sich wieder zu erinnern. „Suchst du den Weg hinein in die Berge?“

„Ja, genau da will ich hin.“

„Also gut. Komm ich zeige dir den Weg.“

Wahrer Freund folgte ihm. Plötzlich fiel ihm ein, wie der Name des Wesens war.

„Du bist ein Wolf!“

„Ja, ja ein Wolf“, sagte der Wolf ganz aufgeregt. Dann blieb er jedoch stehen und fragte: „Guten Tag, wohin des Weges?“

Langsam dämmerte es Wahrer Freund. Der Wolf hatte sein Gedächtnis verloren und vergaß gleich alles wieder. Auch der Wolf war ein so prächtiges Wesen. Wahrer Freund wollte ihm helfen, denn er tat ihm leid. Sicher brauchte auch er Medizin. Aber woher sollte er welche bekommen.

Ein kleiner Vogel hatte seinen Herzenswunsch gespürt. Er landete neben ihm und sagte:

„Suche nach dem Wasser der Anerkennung. Dort gibt es Medizin. Sie kann deinem Freund helfen.“ Dann flog er einen Gebirgspfad entlang. Wahrer Freund folgte ihm und gelangte schließlich zu einer kleinen Quelle, die leise vor sich hin plätscherte. Er folgte der Quelle und kam zu einem kleinen Teich mit kristallklarem Wasser. Am Wasserrand saß ein Adler. Dieser richtete seinen Blick auf Wahrer Freund und sagte dann ernst: „Mein Bruder, dein Ruf eilt dir Voraus. Ich bin gespannt, ob da was dran ist. Was du suchst, findest du in dem Becken.“

„Das Wasser kann also heilen?“

„Ja und nein“, antwortete der Adler.

„Ja es kann heilen, wenn du es dem Wolf gibst und nein: Dich wird es nicht heilen. Aber dir, mein Freund, wird es Anerkennung verleihen. Wenn du es trinkst, bekommst du das glänzendste Fell von allen Mäusen. Jeder wird dich schätzen. Vielleicht wirst du sogar der älteste Bruder deines Volkes.“

Wahrer Freund überlegte. Er erinnerte sich daran, wie die anderen Mäuse ihn verachtet hatten, weil er ein nasses Fell hatte und sie dachten, er wäre krank. Wie gerne würde er mit diesem glänzenden Fell zurückkommen und geschätzt werden. Eine unendliche Sehnsucht brannte in seinem Herzen. Langsam ging er zum Becken und duckte sich hinunter zum Trinken. Plötzlich sah er sein Spiegelbild. Sein Fell glänzte, aber seine Augen waren ganz leer. Er erschrak plötzlich. War das er selbst? Warum sah er so leer aus. So ganz kalt? Erschrocken machte er einen Schritt zurück. Plötzlich erinnerte er sich, weswegen er gekommen war. Er wollte doch dem Wolf helfen. Er erinnerte sich an dieses prächtige Wesen und daran, wie traurig sein Leben nun war. Es musste enden! Der Wolf musste wieder sein können, wer er war.

„Die Portion Wasser geht an den Wolf“ sagte Wahrer Freund mit fester Stimme.
„Nun mein Bruder. Ich gratuliere.“
„Wozu?“, fragte der Mäuserich überrascht.
„Na zu deinen neuen Namen: Wahrer Freund, der auf die Anerkennung verzichtete.“

Kurz darauf erhob sich der Adler in die Lüfte, schnappte sich etwas, das wie eine Tasche aussah, flog damit zum Wasserbecken, tauchte die Tasche hinein und landete neben dem Wolf.

Der Wolf trank gierig aus der Tasche und fühlte sich schon bald wie neu geboren.

Er erinnerte sich an den Mäuserich und war tief gerührt. Tränen der Dankbarkeit rollten an seinen Wangen herunter. Er musste dem Mäuserich helfen, den Weg zu finden, denn das war seine Bestimmung.

Er folgte dem Gebirgspfad, bis er den Mäuserich fand.

„Folge mir“, sagte er mit fester Stimme. Der Mäuserich folgte ihm und schon bald kamen sie an einen magischen Platz. Überall waren seltsame Lichter, die hin und her huschten. Der Mäuserich war ganz fasziniert. Er schloss die Augen und spürte plötzlich Wind um ihn herum. Alles um ihn herum wurde hell und er stieg immer höher und höher. Aus seinem Körper wuchsen plötzlich Flügel heraus. Sein Mund wurde spitz. Auf einmal sah er die Welt von oben. Alles war fern und doch gestochen scharf. Mäuserich konnte zunächst gar nicht begreifen, was mit ihm geschah. Plötzlich begriff er es: Die heiligen Berge hatten Mäuserich in einen Adler verwandelt. Er schwang seine prächtigen Flügel und ehe er sich versah, war er wieder am Fluss.

Dort saß ein Frosch, der ihn respektvoll ansah.

„Hallo Adler, schön dich wieder zu sehen“, sagte der Frosch und verneigte sich respektvoll.
„Nun meine Zaubermedizin scheint dir gut bekommen zu sein.“
Adler besah seine schönen Federn und verneigte sich dann ebenfalls respektvoll.
„Ich danke dir von Herzen, dass du mir die heiligen Berge gezeigt hast.“

„Ich habe dir gar nichts gezeigt. Die heiligen Berge haben sich dir gezeigt. Denn nur der, der reinen Herzens ist, kann sie erblicken.“

Der Frosch lächelte dem Adler noch einmal zu und verschwand dann in den Weiten des Flusses.

Adler schwang seine prächtigen Flügel, erhob sich in die Lüfte und schwebte dann hoch am Himmel über die Prärie.

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